Volksleiden Rückenschmerzen: Ursachen verstehen – Auswege finden

Am 26. Mai 2025 fand im ST. JOSEF Meran eine interdisziplinäre Fachveranstaltung zum Thema Rückenschmerzen statt. Vier Experten aus den Bereichen Neurologie, Neurochirurgie, Schmerzmedizin und Physiotherapie beleuchteten in ihren Vorträgen aktuelle Erkenntnisse sowie therapeutische Ansätze zur Diagnostik und Behandlung von Rückenschmerzen.

Dr. med. univ. Hannes Tischler, Neurologie

Rückenschmerzen allgemein

Rückenschmerzen zählen nach Kopfschmerzen zu den häufigsten Schmerzsyndromen überhaupt – bis zu 87 % der Menschen sind im Laufe ihres Lebens betroffen.

Formen und Ursachen

Rückenschmerzen lassen sich grob in zwei Hauptkategorien unterteilen: nicht-spezifische und spezifische Rückenschmerzen. Der weitaus größte Teil der Betroffenen leidet unter nicht-spezifischen Beschwerden, bei denen keine eindeutig zu behandelbare körperliche Ursache nachgewiesen werden kann. Dagegen liegt bei spezifischen Rückenschmerzen eine klar erkennbare somatische Ursache vor – wie etwa ein Bandscheibenvorfall, eine Spinalkanalstenose, entzündlich-rheumatische Erkrankungen, Osteoporose oder sogar Tumorerkrankungen.

Auch die zeitliche Dauer spielt bei der Einteilung eine Rolle: Akute Rückenschmerzen bestehen bis zu sechs Wochen, subakute zwischen sechs und zwölf Wochen, und von chronischen Rückenschmerzen spricht man, wenn die Beschwerden länger als drei Monate anhalten.

Nicht-spezifische Rückenschmerzen

Rund 85 % aller Rückenschmerzen haben keine eindeutige strukturelle Ursache. Sie entstehen meist durch Bewegungsmangel, Stress oder Fehlbelastung. Nichtsdestotrotz sind nicht-spezifische Rückenschmerzen oft sehr beeinträchtigend. In bis zu 90 % der Fälle heilen akute Rückenschmerzen innerhalb von sechs Wochen spontan aus. Positive Erwartungshaltung und Bewegung fördern die Heilung.

Warnzeichen ernst nehmen

Sogenannte „Red Flags“ – also Warnhinweise – deuten auf schwerwiegendere Ursachen hin und erfordern eine gezielte Diagnostik. Dazu gehören beispielsweise Hinweise auf Knochenbrüche, Infektionen (vor allem mit nächtlich betonten Schmerzen), radikuläre oder neurologische Ausfälle, Tumorerkrankungen oder entzündlich-rheumatische Prozesse.

 

 

Der Bandscheibenvorfall – nicht immer behandlungsbedürftig

Dr. med. Maximilian Broger, Neurochirurgie

Nicht jeder Bandscheibenvorfall ist behandlungsbedürftig – in 70 % der Fälle bildet sich das Gewebe spontan zurück. Eine Operation ist nur in bestimmten Fällen notwendig, etwa bei Querschnittssymptomen, hochgradigen Lähmungen, Störungen der Blasen- oder Darmfunktion oder bei anhaltenden, therapieresistenten Schmerzen trotz konsequenter konservativer Therapie über sechs bis zwölf Wochen.

Therapieansätze: individuell und interdisziplinär

Die Behandlung von Rückenschmerzen richtet sich nach Ursache, Dauer und Schweregrad der Beschwerden. Neben der medikamentösen Therapie mit Schmerzmitteln und entzündungshemmenden Mitteln kommen gezielte Infiltrationen, Physiotherapie und Bewegungstherapie zum Einsatz. Auch psychologische Unterstützung ist ein wichtiger Baustein, insbesondere bei chronischen Schmerzen. In bestimmten Fällen kann eine operative Behandlung notwendig sein.

Weitere Ursachen und das komplexe Bild der Kreuzschmerzen

Neben Bandscheibenproblemen gibt es auch andere mögliche Ursachen, wie z. B. Spinalkanalstenose, Facettensyndrom, ISG-Probleme oder myofasziale Schmerzen.

Chronifizierung verhindern – Risikofaktoren erkennen

Die Entwicklung chronischer Rückenschmerzen ist oft multifaktoriell. Psychische Belastungen wie Depression, berufsbedingter Stress, Angstvermeidung oder Katastrophisieren spielen eine große Rolle. Auch ein passives Schmerzverhalten – also übermäßige Schonung – kann zur Chronifizierung beitragen. Sowohl Schonung als auch Überaktivität können zur Chronifizierung beitragen. Psychische Faktoren wie Stress, Angst und Depression spielen eine zentrale Rolle.

 

 

Dr. Ivano Donato, Schmerzmedizin

Was hilft gegen Rückenschmerzen?

Rückenschmerzen, vor allem im Bereich der Lendenwirbelsäule (Lombalgie), gehören zu den häufigsten Gründen für einen Arztbesuch. Eine wirksame Behandlung erfordert einen individuellen und multidisziplinären Ansatz.

Der Schmerztherapeut spielt dabei eine zentrale Rolle: Er unterscheidet zwischen muskuloskelettalem (nociceptivem), nervenbedingtem (neuropathischem) und gemischtem Schmerz. Die Diagnostik erfolgt in Zusammenarbeit mit Neurologen, Orthopäden und weiteren Fachärzten und wird durch bildgebende Verfahren ergänzt.

Ziel der Therapie ist es, den Schmerz zu lindern, die Lebensqualität zu verbessern und die Funktion wiederherzustellen – möglichst ohne langfristige Medikamentenabhängigkeit. Zum Einsatz kommen dabei:

  • Medikamente wie Entzündungshemmer, Muskelrelaxantien, Antidepressiva, Antiepileptika und Opioide;
  • Infiltrationen (z. B. epidural, facettengelenksnah, Triggerpunkte);
  • Mini-invasive Verfahren wie Nervenblockaden, Radiofrequenztherapie, Neuromodulation oder Ozontherapie;

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Prävention der Chronifizierung. Durch frühzeitige Erkennung psychischer Risikofaktoren wie Bewegungsvermeidung oder Depression wird ein bio-psycho-soziales Behandlungskonzept verfolgt. Dabei spielt auch die Aufklärung und aktive Einbindung der Patient*innen eine entscheidende Rolle.

Ergänzend kann auch Akupunktur, von der WHO seit 1979 bei muskuloskelettalen Beschwerden anerkannt, sinnvoll eingesetzt werden.

 

 

Simon Egger, B.Sc., Osteopath und Physiotherapeut

Welchen Beitrag leistet die Physiotherapie / Osteopathie?

Physiotherapie und Osteopathie spielen eine zentrale Rolle bei der konservativen Behandlung von Bandscheibenvorfällen. Ziel ist es, Beschwerden zu lindern, die Beweglichkeit wiederherzustellen und Rückfälle zu vermeiden – stets mit dem Grundsatz: „In Bewegung bleiben“.

„Alles Leben ist Bewegung und Bewegung ist Leben“ – Aristoteles

 

Anamnese und Untersuchung

Die Diagnostik beginnt mit einer umfassenden Anamnese: Wo liegen die Schmerzen? Wie lange bestehen sie? Welche Lebensumstände beeinflussen das Problem? Im Anschluss wird der/die Patient*in gründlich untersucht – u. a. durch Bewegungs- und neurologische Tests – und die ärztliche Diagnose abgesichert.

Behandlungsplan in drei Phasen

Akute Phase (1.–2. Woche)

  • Schmerzlinderung und Entzündungshemmung
  • Schonung ohne Bettruhe
  • Passive Therapien und isometrische Übungen

Subakute Phase (3.–6. Woche)

  • Wiederaufbau von Kraft und Beweglichkeit
  • Haltungskorrektur und Vermeidung von Schonhaltungen
  • Stabilisation der Rumpfmuskulatur (Core Training), Mobilisation und Dehnungen

Return to Activity (ab 7. Woche)

  • Volle Beweglichkeit und Funktion wiederherstellen
  • Rückenschule, Ergonomie, sportartspezifisches Training

Prävention

Langfristig hilft ein aktiver Lebensstil mit regelmäßiger Bewegung (2–3× pro Woche), gezieltem Training, gesunder Schlafhygiene, entzündungshemmender Ernährung und ergonomischem Arbeiten. Besonders wichtig: Schmerzen ernst nehmen, aber sich nicht durch Angst zur Untätigkeit verleiten lassen.

PowerPoint-Präsentation "Volksleiden Rückenschmerzen"

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PP-Präsentation des Vortrags "Volksleiden Rückenschmerzen"
© Dr. Hannes Tischler, Dr. Maximilian Broger, Dr. Ivano Donato, Simon Egger B.Sc.;

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